Der Seelen Erwachen - viertes Mysteriendrama von Rudolf Steiner

Sampo fördert das Mysteriendramen Ensemble Basel. Das Mysteriendrama "der Seelen Erwachen wurde im September im Kulturhaus Scala in Basel zur Aufführung gebracht.

Freie Arbeit an den Mysteriendramen Rudolf Steiners im Scala Basel

Nachdem Menschen aus dem Paracelsuszweig in Basel unter der Leitung von Frau Sighilt von Heynitz über Jahre in einem Kurs an den vier Mysteriendramen Rudolf Steiners gearbeitet hatten, wuchs in der Gruppe der Wunsch, nun auch schauspielerisch die gelesenen und besprochenen Inhalte durch das eigene schauspielerische Tun zu vertiefen.
Frau von Heynitz und Regiebegleiter Herr Johannes Händler machten sich auf die Suche nach weiteren Menschen, welche Interesse an einer solchen schauspielerischen Arbeit hatten. Auf diese Weise fand sich am 15. August 2005 eine Gruppe von ca. 30 Menschen zusammen, um den ersten Lese- und Probenplan zu vereinbaren, zunächst nur mit dem Ziel schauspielerisch zu arbeiten und ohne jede Absicht, in einer öffentlichen Aufführung aufzutreten.

Es war für mich als ein von aussen dazugestossener Nichtschauspieler, Nichtsprachgestalter und Nichtzweigmitglied spannend zu erleben, wie durch diese praktische, künstlerisch- schauspielerische Zusammenarbeit, durch das gemeinsam erlebte Tun, die zusammengewürfelte Gesellschaft von Menschen aus unterschiedlichen Alters- und Berufsgruppen herzlich und begeistert zu einer Gemeinschaft zusammen zu wachsen begann.
Vielleicht ist gerade diese „unambitiöse“ Mischung von so verschiedenen Menschen, die ohne jeglichen Auftrag, ohne Druck eines Anstellungsverhältnisses, ohne zeitlichen und finanziellen Erfolgsdruck und frei von allem verhindernden Rollenehrgeiz zusammenarbeiten, das zentral Wesentliche. Vielleicht ist dies überhaupt die Voraussetzung, damit sich freier Wille entfalten kann, der sich nur an dem Interesse an der Sache, an den Inhalten und dem gemeinsam erlebten schauspielerischen Prozess orientiert und dadurch die Gruppe zusammenhält. Es bildet sich eine neue Gemeinschaft durch eine gewisse Über-Ein-Stimmung. Die so verschiedenen Menschen stimmen mit dem menschheitlichen Wesensruf „O Mensch, erkenne dich!“ und „O Mensch, erlebe dich!“ überein. Dieser eine menschheitliche Wesensruf, welcher durch die vier Mysteriendramen tönt, ist die Stimme im Hintergrund, stimmt uns ein und erfüllt unsere Stimmen und Stimmungen.
Gerade diese freie Initiative, dass über Jahre an den Mysteriendramen schauspielerisch erlebend gearbeitet werden kann, bildet den Rahmen, um einen Raum des Miteinanders zu schaffen und tätig zu erleben.

In unserer Zeit des Egomanismus und des Ökonomismus,  welche für viele von uns von einem grossen materiellen Wohlstand begleitet ist, scheint es mir nicht unbedeutend, neue, freie Gemeinschaftsbildung zu kultivieren. Das Gemeinsame in den Familien und Arbeitszusammenhängen, in Gemeinde, Kirche und Staat leidet zunehmend und zeigt überall die Tendenz, auseinander zu bröckeln und auseinander zu fallen. Jeder ist mehr und mehr alleine, eine eigene, für sich wichtige und selbstbewusste Welt. Aber viele von uns fühlen sich im Innersten doch oft sehr einsam, von Welt und Mensch verlassen. Wir sind alle von früh bis spät mit tausenderlei nötigen und weniger nötigen Dingen beschäftigt. Wir fühlen uns oft wie gefesselt an die physischen Verhältnisse, an die äusseren technischen, finanziellen, strukturellen und an die inneren emotionalen und gedanklichen Fixiertheiten und Sachzwängen. Aber wo bilden wir Gemeinschaft, wo bilden wir ein freies, geistgetragenes Miteinander?
Es gehört in unserer Zeit zu den wichtigsten Entwicklungsschritten, dass wir erleben lernen, wie unendlich schwierig es ist, von sich selber loszukommen. In meiner Arbeit in einem grossen Unternehmen erlebe ich dies täglich, auch an mir selber. Es bereitet mir zunächst wenig Lust, den anderen wirklich verstehen zu wollen, seine Handlungsmotive, seine Gedanken und Gefühle nachzuvollziehen.
Es ist eine mühsame und lästige, aber umso unumstösslichere tiefe Wahrheit, dass derjenige, der ernsthaft eine Entwicklung durchmachen will, Selbsterkenntnis nicht durch das Hineinbrüten in sich selbst erlangt, sondern indem er lernt von sich loszukommen und sich täglich übt im Untertauchen in das andere Wesen.

Gerade diese schwierige Übung des von sich Loskommen- Könnens und in das Wesen und Erleben ausserhalb des Eigenseins unterzutauchen, hat meine Sicht auf die Begegnungen im Alltag in den letzten fünf Jahren langsam umgebildet. Dies ist mehr oder weniger bewusst im jahrelangen schauspielerischen Tun an den Mysteriendramen geschehen. Beim Proben wird uns nebst dem aktiven Spielen der eigenen Rolle sehr viel Zeit „geschenkt“, wo wir die Kollegin und den Kollegen stundenlang spielend, sprechend und übend wahrnehmen können- und müssen. Da ergibt sich mir dann die Gelegenheit, immer mehr das, was der andere sagt und spielt, als Eigenerlebnis wahrzunehmen. Es ist eine tiefere Kraft am Werk, die ermöglicht, in die Rolle des Capesius, des Strader, des Johannes Thomasius oder der Maria hineinzuschlüpfen. Ich kann plötzlich das, was der Andere sagt und tut, als eigenes Erlebnis im Andern wahrnehmen und erhalte dadurch mitfühlende Ein-Sicht in das, was da vorgeht. Es ist dieses Wechselspiel von tätigem Erkennen und erkennendem Tätigsein eine grosse Hilfe, um ein immer tieferes Verständnis für das Wesen der Beziehungen der einzelnen Figuren zueinander in den vier Dramen zu erlangen. Mit diesem Vertiefungsweg eröffnet sich mir auch immer klarer, wie urbildlich das Tun und Lassen der Mysteriendramenfiguren durch Rudolf Steiner gebildet wurde. Durch diese Figuren scheint, tönt und wirkt das allgemein menschheitliche Menschwesen hindurch. Was einheitliche menschliche Geistnatur ist, wird von Rudolf Steiner in den Mysteriendramen auf verschiedene Menschen verteilt. Ein Mensch hat diese besondere Seelenfärbung und Seelenprägung, ein anderer jene. So können wir in den Mysteriendramen Menschen vor uns sehen und erleben, die verschiedene Seiten der menschlichen Gesamtnatur darstellen. Wie uns Menschen in der Welt entgegentreten, darin stellen sie die verschiedenen Seiten der menschlichen Natur dar. Indem wir uns diese verschiedenen Seelenfärbungen und –prägungen immer mehr erlebend und erkennend erschliessen, machen wir uns auf den Weg, die menschliche Gesamtnatur, diese lebendigeTotalität in uns erlebend anwesend sein zu lassen. Nicht nur mein Ich, mein „Ego“ mit meiner Meinung, mit der auf mich geeinten Wahrnehmung und meinem dazu notwendigen Erleben, ist das allein Wesentliche, sondern alle Seelenfärbungen und –prägungen erlebe ich wahrnehmend und durch Ein-Sicht erkennend und anerkennend immer mehr in meinem Selbst-bewussten Sein.

Vieles, was mir im alltäglichen Berufsleben zwischen den Menschen begegnet, folgt auf feine, aber wahrnehmbare Weise diesen allgemein menschheitlichen Seelenfärbungen und  Seelenprägungen. Die Beziehungsverhältnisse bilden sich zwar immer in absolut individueller Ausgestaltung, aber sie folgen in freier Variation der urbildlich menschheitlichen Gesamtnatur, wie sie uns durch die Figuren der Mysteriendramen als geistreale und wahre Komposition durchklingend gegeben sind.

Zum Entstehen dieser Komposition der Mysteriendramen sagt Rudolf Steiner im Buche „Über die Mysteriendramen“ : „…Ich kann die Versicherung geben, dass nichts von dem, was ich hinterher an dieses Mysterium anknüpfen werde, und von dem ich doch weiss, dass es darin ist, mir bewusst war, als die einzelnen Bilder gestaltet wurden. Die Bilder wuchsen so aus sich heraus, wie die Blätter einer Pflanze. Man kann gar nicht solch eine Gestalt vorher dadurch hervorbringen, dass man zuerst die Idee hat und diese dann in die äussere Gestalt umsetzt. Es war mir immer recht interessant, wenn so Bild für Bild geworden ist, und Freunde, welche die einzelnen Szenen kennen gelernt haben, sagten, es sei merkwürdig, dass es doch immer anders komme, als man es sich vorgestellt habe“.
Und später: „…Es gibt keine Entwicklung an sich, keine Entwicklung im Allgemeinen; es gibt nur die Entwicklung des einen oder des anderen oder des dritten, des vierten oder des tausendsten Menschen. Und so viele Menschen in der Welt sind, so viele Entwicklungsprozesse muss es geben“.

Ja, aus der lebendigen Totalität der menschheitlichen Gesamtnatur sind die Figuren in den Mysteriendramen geschaffen, und jeder von uns kann sie nur langsam, seiner individuellen Persönlichkeit und gemäss seiner Reife Schritt für Schritt erschliessen, erleben und erkennen lernen. Die freie, nicht direktoriale Art und Weise, wie unsere Regisseurin Frau von Heynitz die Arbeit wachsen lässt, entspricht dem tiefen Sinn und Geist der Mysteriendramen auf lebendigste Art. Frau von Heynitz lässt in jedem von uns die Inhalte wachsen und versucht nicht, von aussen die Schauspieler zu stark mit ihren eigenen Normen und Formen zu lenken. Es lebt in unserem Ensemble nicht die Stimmung: „Wie man es anthroposophisch richtig macht“, es lebt vielmehr die Stimmung: „Versuche immer tiefer zu erleben, was du sagst und tust“! Auf diesem Wege ist es ein grosses Geschenk, über viele Jahre mit Menschen an dieser Arbeit bleiben zu dürfen. Auch ist es sehr, sehr hilfreich, dass diese Arbeit in dem oben erwähnten freien Rahmen sich entwickeln konnte und weiter entwickeln kann. Nach jeder Aufführung wird immer wieder neu beraten, ob überhaupt und wie wir weiterfahren wollen. So sind in den letzten fünf Jahren schon drei Aufführungen frei im Scala Basel auf die Bühne gekommen:

23./24. September 2006
Seelenvorgänge in szenischen Bildern aus dem 3. Mysteriendrama „Der Hüter der Schwelle“
1./2. März 2008
Rückschau-Szenen aus „Die Pforte der Einweihung“ / „Der Hüter der Schwelle“ / „Der Seelen Erwachen“
13./19. September 2009
Das 4. Mysteriendrama „Der Seelen Erwachen“

Am 18. April 2010 trifft sich das Ensemble wieder, um zu beraten, wie der nächste Schritt aussehen könnte. Vorgesehen ist eine weitere Aufführung des 4. Mysteriendramas am

14./20. November 2010 im Scala Basel
Das 4. Mysteriendrama „Der Seelen Erwachen“

Allen, die unsere Arbeit an den Mysteriendramen unterstützt und gefördert haben und weiter unterstützen wollen, danke ich im Namen des Ensembles ganz, ganz herzlich.

Matthias Müller


Förderung durch Sampo: 5.000 CHF


 



 
 


 

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