Der Seelen Erwachen - viertes Mysteriendrama von Rudolf Steiner

Spielt er oder ist er das?

Spielerfahrungen im 4. Mysteriendrama von Rudolf Steiner

Die Arbeit an den Mysteriendramen im Studium der Anthroposophie am Goetheanum war für uns einer der Schwerpunkte und so verfolgten wir die neue Inszenierung am Goetheanum mit größtem Interesse.
In einem Kurs tauchten wir ein in die einzelnen Figuren, die Charaktere, die Lebensverhältnisse und die Handlungsweisen, in die Seelenlandschaften. Jeder bemühte sich der gewählten Figur so nahe wie möglich zu kommen,  wobei es auch erlaubt war, dort wo der Text sich noch nicht erschloss Lücken mit Fantasie zu füllen. So ausgerüstet, versuchten wir uns schauspielerisch – oder besser gesagt spielerisch – um die Darstellung einer gekürzten Szene......
Wie so oft, wenn das Interesse für eine Sache geweckt ist, tauchen von mehreren Seiten Zusammenhänge auf. So verstanden wir auch die Anfrage von Sighilt von Heynitz, die in Ihrem Ensemble die Rollen der Frau Hilarius und des Felix Balde neu zu besetzen hatte, und uns zum Mitmachen ermutigte.
Für meine Frau war das eine absolut neue Herausforderung. Hatte sie doch noch nie auf der Bühne gestanden und diese Anfrage löste bei ihr eine gewisse Anspannung aus. Bei mir war durch den Besuch der Waldorfschule und einem Weihnachtsspiel geringe Schauspiel-erfahrung vorhanden. Die Erfahrungen und die Freude im Kurs besiegten unsere Bedenken und so sagten wir unser Mitspielen zu.
Wir hatten die Aufführung des 4. Mysteriendramas im Herbst 2009 im Scala gesehen und waren von dem hohen Niveau der Aufführung tief beeindruckt. Es wurde uns sehr deutlich, dass wir – wenn es auch mit uns gut werden sollte - uns irgendwie neben den Bühnenprofis bewähren mussten.
Der Schlüssel zu einer guten Leistung ist eine gute Vorbereitung und so lernten wir unsere Texte schon früh. Gehend einüben wurde uns von vielen Seiten empfohlen, was wir in einem Südtirol-Urlaub in die Tat umsetzten. Auf unseren täglichen Wanderungen begleiteten uns die Texte, bevorzugt wenn es länger bergauf ging. Einer sprach im Rhythmus der Schritte, der andere kontrollierte, und mancher Aufstieg war zu kurz, es war ein genialer Trick, die Länge des Aufstiegs zu vergessen und an den mitleidvollen Blick anderer Wanderer gewöhnten wir uns als diese z.B. hörten:     

“Es war die Welt aus Sein und Nichts gewoben,
die Dir im Weben sich zum Schein gebildet.....“

Manchmal kamen uns Bedenken vor unserer eigenen Courage, aber der Aufführungstermin war noch weit und so wurde dieses Gefühl durch die Vorbereitung verdrängt.
Dann fand die erste Probe statt, meine Frau sprach sehr rasch ihren Text und verließ fluchtartig die Bühne. Im Rückblick wurde ihr dann klar, so geht das nicht und das sah Sighilt v. Heynitz wohl auch. Sie half mit Einzelproben, brachte die Rolle spielerisch mit sehr wertvollen Übungen näher. Auch die erfahrenen Mitspieler standen uns mit Rat und Tat hilfreich zur Seite. Wir näherten uns immer mehr der Rolle der Frau Hilarius und der von Felix Balde.  Es wurde sehr intensiv und eindrücklich, immer neue Perspektiven tauchten auf: Den Text sprechen, zu beachten über wen spreche ich mit wem, wie bringe ich die Gedanken in den Raum, das Publikum im Bewusstsein haben, den Mitspieler dabei beachten und genau wissen, wie tauche ich gefühlsmäßig in den Text ein. Wie gestikuliere ich, was ist zu viel, was zu wenig.
Es war spannendes Ausprobieren, genaues Hinhören und wir hatten das Gefühl, dass unsere Szenen besser wurden. In den weiteren Proben, übten wir mal von rechts kommend, mal von links und als der Profi sagte, es könne auch sein, dass er in der Aufführung etwas noch Anders mache, gab es uns Anfängern das „richtige Selbstvertrauen“.
Ein kleiner Hänger in der Aufführung wurde liebevoll kommentiert: “Jetzt bist Du eine von uns!“ Ein Hänger der Schauspielritterschlag!?
Als Felix Balde war ich im „heute“ naturverbunden, als Büßer im Geistgebiet dankbar und verträumt, als Schwellenhüter im alten Ägypten archaisch streng. Eigentlich 3 Rollen, 3 Charaktere und alles mit einer Eselsgeduld und viel Zeit eingeübt mit Sighilt von Heynitz. 
Nach einer intensiven Woche mit Kulissenbau, Haupt- und Generalprobe kam die Aufführung: Jeder hatte seine Rolle und zusätzliche Aufgaben, damit die Aufführung gelingt.
Meine war im 1. Bild hinter der Kulisse auf den Umbau warten, danach umziehen für das 3. Bild (im heute), im 5. und 6. Bild Büßer im Geistgebiet, in der Mittagspause Umbau zum 7. und 8. Bild im alten Ägypten, danach wieder ins „heute“ (11. Bild). Meiner Frau ging es ähnlich, sie half beim Umziehen und Schminken und hatte erst im 14. Bild ihren Auftritt.
Es war ernüchternd festzustellen, dass das Stück an uns fast vorbei geht, dass der Schauspieler sich sehr konzentrieren muss, um im richtigen Moment auch in seiner Rolle präsent zu sein. Die Schauspieler schenken dem Publikum das Stück, ohne es selber ganz miterleben zu können. Das war eine neue Erfahrung, über die man sich bei vielen Theaterbesuchen noch nie Gedanken gemacht hat. Da blieb es ein Trost bei den Durchgangsproben sich das Drama doch auch anders einprägen zu können, als wenn man es nur einmal als Zuschauer gesehen hätte. Die erarbeitete Rolle war intensiv verinnerlicht, ein großer persönlicher Verständnissgewinn und Belohnung war die Zufriedenheit, in einer Gemeinschaft, die mit unglaublichem Einsatz und großer Begeisterung dieses bedeutende Drama verwirklichen konnte, mitgearbeitet zu haben.

So wie das Publikum das Stück geschenkt bekommen hat, so wurden wir als Ensemble von Freunden und Institutionen durch großzügige Spenden bedacht, durch die es uns erst möglich wurde, ein so großes Projekt zu verwirklichen. Ihnen sei an dieser Stelle im Namen des gesamten Ensembles sehr herzlich gedankt!

Michael und Renate Braun


Förderung durch Sampo: 5.000 CHF


 



 
 


 

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